Schwindel

Ist Ihnen schwindelig? Letztlich ist alles Schwindel! Wie kommt man aus dem Schwindel heraus? Schwindel ist peinigend.

Unter Schwindel im medizinischen Sinne versteht man das Empfinden eines Drehgefühls oder Schwankens oder das Gefühl der drohenden Bewusstlosigkeit. Definiert wird Schwindel im medizinischen Sinn als wahrgenommene Scheinbewegung zwischen sich und der Umwelt. Man unterscheidet u. a. Dreh-, Schwank-, Lift-, Bewegungs- und unsystematischen Schwindel. Außerdem werden Symptome einer Kreislaufschwäche oft Schwindel genannt. Schwindel kann viele verschiedene komplexe Ursachen haben. Bei der Untersuchung ist es hilfreich, den Schwindel in Schwindeltypen einzuordnen, um die möglichen Ursachen einzugrenzen. Der Schwindel kann dabei in zwei verschiedene Kategorien eingeordnet werden nach Art des Schwindels systematisch oder unsystematisch und nach wahrscheinlichen Ort des Auslösers.

  

Psychische Erkrankungen und Schwindel

Schwindelsymptome treten häufig im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen auf. Dabei kann Schwindel sowohl eine Folge (sog. psychogener Schwindel) als auch eine Ursache einer psychischen Erkrankung sein. Beide Erkrankungen können auch komorbid auftreten.Verschiedene Studien zeigten, dass bei 20–50 % der Schwindelpatienten psychische Erkrankungen einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hatten.

Psychische Erkrankungen, bei denen häufig Schwindelgefühle auftreten, sind v. a. Depressionen, Angststörungen und Somatoforme Störungen. Zudem kann es zu sekundärem somatoformen Schwindel, phobischem Schwankschwindel, akuten Belastungsreaktionen sowie Anpassungsstörungen kommen.

 

Der Konversionsmechanismus des Schwindels

Mit dem Konversionsmechanismus der Schmerzentstehung wurde von Freud die Aufspaltung zwischen körperlichen seelischen Vorgängen bezeichnet. Aus primär seelischem Schmerz wird körperlicher Schmerz. Hier dient der psychogene Schmerz unbewusst der Abwehr unerträglicher Gefühle und Konflikte. Beim Konversionsmechanismus geht man von der Annahme innerer Konflikte aus, die durch ein körpersprachlich dargestelltes Symptom entlastet werden. Die Symptomatik stellt körpersprachlich etwas dar. Es wird eine averbale Kommunikation zum Ausdruck gebracht, weswegen man sogar von Ausdruckskrankheiten spricht.

Aus psychosomatischer Sicht bezeichnet man mit dem Begriff der Konversion eine Verwandlung eines psychischen Konfliktes in den vornehmlich körperlich erscheinenden Bereich. Eine wichtige Rolle kommt hier den unbewussten Vorstellungen und Phantasien des Betroffenen zu, die durch ein körperlich erscheinendes Symptom dargestellt werden. Unbewusst wird hierbei der seelische Schmerz  - zum Beispiel Trauer -  verdrängt und dann ebenfalls unbewusst, in ein eher körperlich erscheinendes Geschehen verschoben.

 

Seelischer Schmerz wird zu körperlichem Schmerz

Der seelische Schmerz der Trauer über einen erlittenen Verlust, der nicht beweint wird, zeigt sich nun als ein immer quälenderes Symptom, dem Schwindel, der dann wiederum zum Weinen zwingen kann. Der primär vornehmlich psychogene Schwindel wird als vornehmlich körperlich erscheinendes Symptom dargestellt, weil er durch Worte nicht benannt werden kann oder darf. Hierbei geht es unbewusst um eine Entlastung schmerzhafter Affekte, also vornehmlich angsthaften und depressiven Verstimmungen, aber auch von Gefühlen der Leere und der Sinnlosigkeit. Man vertauscht ein Problem gegen eine anderes. Mit dem Schwindel wird unbewusst eine Fokussierung auf ein Symptom vorgenommen, so dass der ursprünglich quälende Affekt nicht mehr empfunden wird. Unbewusst geht es hierbei um eine Entlastung von psychischen Konflikten durch ein Umlenken der Aufmerksamkeit vom psychischen zum vornehmlich körperlichen Bereich. Mit dem Schwindel verschiebt sich das psychologische Problem in den körperlichen Bereich.

 

Psychogener Schwindel kann zu einer Entlastung von Schuldgefühlen führen.

Aufgrund solcher unbewusster Vorgänge kann der Schwindel auch zu einer Entlastung von Schuldgefühlen führen. Oft entstehen Schuldgefühle aus starken, aber gehemmten aggressiven Bedürfnissen. Der symptommotivierende Gehalt läge hier vor allem im determinierten Sühnevorgang durch das Leiden, der die subjektive Schuld entlastet. Aggressionen sind bei vielen Patienten mit Schwindel stark gehemmt und verdrängt. Der unbewusste Gewinn der Unterdrückung aggressiver Motive durch den Schwindel erklärt sich psychodynamisch dadurch, indem auf diese Art Gewissenskonflikte und Selbstvorwürfe vermieden werden können. Schmerz kann unbewusst auch das Fortbestehen einer Beziehung symbolisieren: man ist nicht verlassen, solange es weh tut. Das Fortbestehen des chronischen Schwindels birgt dann die unbewusste tröstliche Gewissheit, dass jemand kommen und helfen und alles wieder gut machen wird. Das Schwinden des Schwindels bedeutete dann paradoxerweise, dass man verlassen ist. Der Schwindel wird zum verlässlichen Begleiter, man ist nicht alleine. Wollen Sie mehr erfahren?

Mittwoch, den 14. Januar um 12:10 Uhr bei Radio Rheinwelle 92,5  „High Noon“  von und mit Martin Bevernick und Dr. med. R. Mathias Dunkel,

Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

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Kommentare: 9
  • #1

    J. Schmidt (Montag, 16 Februar 2015 08:22)

    Immer wieder leide ich unter nicht diagnostizierbaren Ursachen von Schwindelanfällen. Unzählige Untersuchungen habe ich hinter mir. Alle ohne Befund. Kein Arzt hat bisher die Ursachen Ihrer beiden Artikel erwähnt. In Ihren Ausführungen finde ich meine Problematik! Danke

  • #2

    Peggy Kirschke (Mittwoch, 27 Juni 2018 12:46)

    Ich habe seit dem Tod meiner Mutter, im Januar 2017, einen ständigen Dauerschwindel. Ich weine oft aus heiterem Himmel. Bin bereits in psychologischer Behandlung, aber ich bekomme die Bewältigung meiner Trauer nicht in den Griff. Was kann ich nur tun?

  • #3

    Luise (Mittwoch, 05 September 2018 17:15)

    Ich bin vor 1 Jahr Witwe geworden. Hatte früher schon immer mal Schwindelattacken, die sich seit 3 Wochen zu einem Dauerschwindel entwickelt haben. An manchen Tagen ist es so schlimm, dass ich mich nicht traue aufzustehen. Habe schon HNO und Kopf MRT gemacht. Ohne Befund. Jetzt schickt mein Arzt mich zum HWS MRT. Sicher habe ich auch durch 40 Jahre Schreibtischarbeit Nackenprobleme und schiebe es immer wieder darauf. War vor Monaten auch schon beim Physiotherapeuten . Hat aber nicht lange vorgehalten. Am schlimmsten sind Angst und Panikattacken. Ich weiß nicht einmal wovor ich Angst haben sollte. Bin gesund. Obwohl ich in den vergangenen 6 Monaten öfter den Notarzt holen musste wegen Herzrasen etc., und habe keine finanzielle Not. Ich habe keine Lust mehr rauszugehen und mit Freunden zu treffen und schiebe Schwindel oder andere Unpässlichkeiten vor. Was soll ich beim Psychologen? Eigentlich kenne ich ja mein Problem. Mehr kann er mir doch auch nicht sagen. Aber wie kriege ich es in den Griff??? War immer eine sehr taffe und selbstbewusste Frau. Bin Probleme immer angegangen und habe sie geregelt. Wer hat ähnliches erlebt und kann mir einen Rat geben?

  • #4

    Dr. med. R. Mathias Dunkel (Mittwoch, 05 September 2018 21:05)

    Sehr geehrte Frau Luise,
    ich würde Ihre Problematik folgendermaßen interpretieren:
    Sie schreiben, dass Sie vor ca. einem Jahr Witwe geworden sind. Der Tod Ihres Ehemannes wird Sie aller Wahrscheinlichkeit nach sehr schockiert haben. Mit diesem Ereignis ist Ihnen bewusst geworden, dass wir Menschen sterblich sind. Ihre Symptomatik, der Angst und der Panikattacken und nunmehr des anhaltenden Schwindels sind tiefenpsychologisch als Angst vor dem Tod zu interpretieren.

    Mit freundlichen Grüßen, Dr. med. R. Mathias Dunkel

  • #5

    Andrea Brunner (Montag, 03 Dezember 2018 01:28)

    Mein Vater ist gestorben. Habe in der Sterbephase schon unter Schwindel gelitten. Bis heute. Ist erst drei Tage her. LG Andrea

  • #6

    Sandra (Dienstag, 08 Januar 2019 20:25)

    Hallo, ich habe 2007 meine Oma verloren. Sie war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ca. 1 1/2 Jahre später ist es losgegangen als hätte jemand einfach einen Knopf gedrückt...da war er der Dauerschwindel und der quält mich bis heute. Hatte auch unzählige Untersuchungen, hab schon so viele Sachen probiert und immer versucht positiv zu denken aber ohne Erfolg. 2016 bekam ich dann noch die Diagnose Schilddrüsenkrebs. Dieser wurde mit OP entfernt und anschliessend mit einer Radiojodtherapie. Seither versuche ich jeden Tag irgendwie zu meistern. Suche immer wieder neue Möglichkeiten um einen Weg aus dieser Situation zu finden. Vielleicht gibt es auch hier einen Rat. LG Sandra

  • #7

    Patricia (Montag, 03 Juni 2019 10:40)

    Guten Morgen,
    Ich habe vor zwei Tagen meinen Opa verloren. Ich habe am Sterbetag sehr viel geweint und es hat sehr wehgetan, da ich bis zum letzten Atemzug bei ihm war. Jedoch am zweiten Tag, also gestern, habe ich keinen Schmerz mehr gespürt. Ich realisiere es bis heute noch nicht wirklich, ihn nicht mehr bei mir zu haben. Allerdings habe ich seit gestern öfters am Tag verteilt Schwindelerscheinungen und habe das Gefühl umzukippen. Auch heute spüre ich eher diesen Schwindel, als Schmerz.
    Deshalb Frage ich mich, ob das eine Art ist von meinem Körper den Schmerz zu verarbeiten oder ob ich einfach nur ein kalter Mensch bin.

    Ich habe meinen Opa sehr geliebt. Und er ist auch mein einziger Opa gewesen. Ich verbringe die Tage gerade bei meiner Oma um ihr ein wenig beizustehen, und dass sie sich nicht gleich so alleine fühlt.

    Ich würde mich über eine Rückmeldung freuen, da ich mir immer sehr kalt vorkomme, wenn meine Oma neben mir weint, und ich einfach nichts spüre und nicht weinen kann.
    Danke im voraus.

  • #8

    Dr. med. Dunkel (Montag, 03 Juni 2019 14:43)

    Sehr geehrte Patricia,
    Sie sind bestimmt kein "kalter Mensch". Einen Teil Ihrer Trauer haben Sie unbewusst verdrängt und nunmehr ist die Trauer als Schwindelgefühl manifest.Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie sich immer mehr Ihrer Trauer hingeben können. Sofern das Schwindelgefühl anhalten sollte, so würde ich Ihnen eine psychotherapeutische Behandlung empfehlen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. med. R. Mathias Dunkel

  • #9

    Sybille Emrich (Mittwoch, 08 März 2023 21:55)

    Ich habe letztes Jahr meine Tochter verloren mit nur 21 Jahre. Mittlerweile arbeite ich den ganzen Tag bis ich abends erschöpft auf dem Sofa liege. Seit 4 Wochen ist es mir beim aufstehen morgens sehr schwindelig und bei schnellen kopfbewegungen
    Ich rede mit meinem Mann, meiner Tochter und Freunden immer über unseren Schmerz und denke nicht das ich die Trauer unterdrücke